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 Doðubayazýt I   

03-09-2006 (Benno) 

Nach den paar kleinen Anekdoten, die ich aufs Netz gestellt habe, ist es wohl auch wieder einmal Zeit für einen richtigen Reisebericht, chronologisch zusammenhaengend und möglichst nichts auslassend.

Zuerst aber dies: Johnny geht es blendend. Er freut sich, ab Dienstag für drei Tage die Schuhe anziehen zu dürfen, um mit mir und einer iranischen Reisegruppe den Arart (immerhin 5137m) zu besteigen. Er freut sich jeweils auch sehr, wenn ein kraeftiger Gegenwind blaest und ihm seine 3 Haaren zerzausen. Aus Rücksicht auf mich, gibt er sich allerdings Mühe, sich nichts anmerken zu lassen. Und er freut sich mit mir, wenn ihm unterwegs kleine, lachende Kinderhaende über den Kopf streicheln, statt mit mitleidig-bösem Blick um Geld zu betteln. Er ist deshalb auch ein wenig besorgt darüber, dass er mit fast leeren Haenden zu den Kindern in Lahore muss. Ich habe ihm aber versprochen, dass bis dahin noch viel mehr Spenden kommen...

In Sivas ging es nach einem Tag Ruhepause wieder mit dem ersten Gesang des Muezzin weiter, Richtung Osten, der Sonne entgegen. Als ich bei einer Brücke unter einigen Baeumen rastete, staunte ich nicht wenig, wieviel da los war, obwohl wir uns einige Kilometer vom naechsten Ort entfernt befanden. Zwei Hirten zogen mit ihrer Kuhherde vorbei und irgendwann kam sonst noch jemand von irgendwo hergelaufen. Nachdem wir uns gegenseitig vorgestellt hatte, verschwand er wieder, um bald darauf mit einem Kollegen zurück zu kommen, den er mir vorstellte. Ich bot ihnen nochmals an, mit ihnen mein Picknick zu teilen, ein Angebot, das sie allerdings ausschlugen und statt dessen wieder im Unterholz verschwanden. Drei Hunde schlichen auch mal noch an mir vorbei und ernteten ausser ein paar bösen Blicken meinerseits nichts. Zuviele Hunde hatten mich unterwegs schon belaestigt, als dass ich bereit waere, mit ihnen mein Picknick zu teilen.

In der Türkei ist es fast unmöglich, sich irgendwo hinzusetzen, egal wie abgelegen und verlassen der Ort scheint. Man kann fast sicher sein, dass spaetestens in einer halben Stunde jemand von irgendwoher auftaucht, zumeist irgend ein Hirte, der mit ein paar Tiere vorbeizieht, auf der Suche nach fruchtbarerem Boden.

Auf dem folgenden Pass (1690m) gab es zum ersten mal ein kleine Imbissstube, was mich sehr erfreute. Ein Ayran schlürfend geniesse ich den Ausblick über einen Kiesplatz, mit einem rostigen Fass und einem Telegraphenmasten bestückt, auf die naechsten ausgetrockneten Gebirgszüge. Das Haus ist leuchtend rot und gelb gestrichen, zwei Lastwagen stehen noch davor, wenn das nicht ein tolles Foto gaebe... Aber irgendwie passt es ja doch nicht ins Bild, ich lasse den Fotoapparat in der Tasche und geniesse einfach noch eine Weile diesen Ausblick à l'américaine bevor ich mir das Gesicht wasche und mich auf die Weiterfahrt begebe. In Ýmranlý erwartet mich ein netter kleiner Park im Dorfzentrum, in dem auch Tee serviert werden, und viele neugierige Kinder wissen wollen "What is your name?", "Where are you from?". Leider beschraenken sich aber die Englischkenntnisse von 99% der Türken auf genau diese zwei Saetze, weshalb sie in aller Regel auch die Antwort auf die zweite Frage schon nicht mehr verstehen, wenn sie nicht auf Türkisch kommt. Und weil Ýsviçre eben auch auf Türkisch irgendwie aehnlich wie Ýsveç tönt, wird man auch hier, wie fast überall auf der Welt ausser in Schweden, schnell einmal zu einem Skandinavier.

Am naechsten morgen werde ich Zeuge eines wunderbaren Sonnenaufgangspektakels. Die Freude wird allerdings etwas getrübt, als nach 6 km Baustellen-Schotterpisten (nicht zum erstenmal) eine Schraube meines Lowriders bricht. Leider habe ich nicht so lange Reserveschrauben dabei, und fixiere ihn provisorisch mit einem Kabelbinder, was mir im Hinblick auf die folgenden zwei Paesse zwar zuerst etwas Sorgen bereitet. Aber das Provisorium hat bis heute gehalten. Auf 2190m gibts wieder einmal kein Restaurant, sondern - wie nicht selten - einen Werkhof der Strassenbauer. Scheint irgendwie ein beliebter Ort zu sein für Strassenbaumaschinen. Natelempfang gibts auch keinen, also auch keinen Gutenmorgen-Gruss für Rebekka, sorry! Das Picknick nehme ich dann wieder ganz unten, auf 1500m bevor ich auf dem naechsten Pass den iranischen Lkw-Fahrer treffe (siehe Blog-Eintrag "Fernfahrer").

Auf der Talfahrt nach Erzincan staune ich über die wüste Landschafte um mich. Nur Felsen und Geröll, eine dicke Strasse noch dazu. Da werde ich mir zum ersten mal bewusst, wie schön und wie grün eigentlich die Alpen sind, und wie lieblich viele Bergstrassen in die Landschaft eingebettet sind im Vergleich zu den Strassen hier, wo rücksichtslos tonnenweise Material abgetragen oder aufgeschüttet wird, um Platz für Strassen zu schaffen.

In Erzincan finde ich zufaelligerweise das Tourismusbüro, und bekomme nicht nur einen Tee spendiert, sondern auch noch Stadtplan und eine Hotelauskunft. Ein bemerkenswerter Erfolg, erst recht angesichts der Tatsache, dass es zum einen in der Türkei kaum funktionierende Tourismusbüros gibt, und zum andern Erzincan nun wirklich nichts sehenswertes zu bieten hat. Einer der Maenner vom Tourismusbüro, zeigt mir noch auf der Karte, wo sich offenbar die Terroristen verstecken, bevor er sich als Polizist ausweist. Ich versichere ihm, dass ich auf der Hauptstrasse Richtung Erzurum bleibe.

Was ich tags darauf bei betraechtlichem Gegenwind auch tue. Nach einem Tag mit zwei Paessen, dachte ich, dass ich einen gemütlichen Tag vor mir habe, und nur ein Tal wie das Wallis hochfahren kann. Aber das Wallis hoch bei Gegenwind ist wohl auch nicht besonders nett. Dafür ist die von Senta gesponserte Wolkenfront angekommen. Danke!

Nach Tercan nehme ich den letzten Pass in Angriff, bevor ich auf die riesige Hochebene von Erzurum komme. Waehrend einem Halt bei einer Tankstelle 20km vor Erzurum, werde ich im dazugehörigen Supermarkt von einem gut gekleideten Herr ohne Kaufabsichten gefragt, woher ich komme. Ich vermutete, dass es der Filialleiter oder etwas aehnliches ist, und frage deshalb mehr zum Scherz, woher er komme. Aus Iran! Er gehörte nicht zum Laden, sondern zum iranischen Reisebus, der ebenfalls vor der Tankstelle steht. Als ich aus dem Laden komme, steht er bei meinem Fahrrad und wartet auf mich, und ist sehr interessiert an meinem Projekt. Nein, ich habe keine Sponsoren, aber ich sammle für eine Schule in Pakistan. Er ist interessiert, und möchte gerne etwas spenden. Ich gebe ihm meine Karte, und erkaerte ihm, wie er meine Kontonummer findet. Vielleicht klappt es ja. Ein anderer Iraner aus demselben Reisebus ist begeistert von meiner ideologischen Motivation, nicht einfach mit dem Flugzeug über all die Laender hinwegzufliegen, sondern die Kulturen auf dem Weg nach Australien kennenzulernen, und gibt mir auch gleich seine Adresse in Tabriz, wo ich für eine Nacht sein Gast sein darf, wenn er zurück ist aus Istanbul.

Kaum bin ich in Erzurum angekommen, regnet es zum ersten mal ausgiebig, als ein Gewitter über uns hinwegzieht. Ich freue mich für die Vegetation rundum, waehrend ich unter einem Sonnenschirm Unterschlupf finde.

 Sivas   

23-08-2006 (Benno) 

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 Safranbolu   

15-08-2006 (Benno) 

Kaum war ich auf der asiatischen Seite (mit der Fährboot), erwischte ich irgendwie ganz angenehme strassen, einspurig und relativ wenig verkehr. Der grosse verkehr ging wohl ueber die Brücken und blieb dann auf den Autobahnen. Über ein bewachtes Superbonzenquartier (bei jeder Nebenstrasse die abzweigte, war ein Tor mit Securityguard) verliess ich schliesslich Istanbul, auf einer Strasse, die ich allerdings nicht auf meiner Karte finden konnte, was mich an der Qualität meiner Karte zweifeln lässt. In Akçakese, etwas weiter als Þile, fand ich einen netten Campingplatz mit traumhaften Stränden.

Tags darauf gab es vormittags einige Wolken, die mich sehr erfreuten, leider aber auch zwei Verkehrsschilder, die mich zu nerven begannen: Achtung Steigung und Achtung Gefälle. So war es auch, und ich kam kaum vorwärts, bergauf nicht, weil es bergauf ging, runter nicht, weil der Strassenzustand in Kombination mit dem Gefälle kein viel schnelleres Tempo zuliess als bergauf. So beschloss ich schliesslich, dass ich mich nicht bis nach Karasu schleppen würde, obwohl mich dort wieder das schwarze Meer empfangen würde. Als ich dann bei einer Bude anhalten möchte um Wasser zu kaufen, werde ich auch gleich auf deutsch angesprochen, und der Herr offeriert mir ein Wasser. Ich plauderte ein bisschen mit ihm, ein Türke, der seit 1992 in Deutschland lebt, und für 3 Wochen in die Türkei gekommen ist, um dem Sohn bei der Haselnussernte zu helfen. Er lud mich dann ein, bei ihm zu übernachten, ein Angebot, dass ich gerne annahm. Nachdem ich auch noch reichlich verpflegt wurde, gab es am Abend im Dorf noch ein grosses Fest, um die jungen Männer zu verabschieden, die ab nächster woche für 15 Monate in den Militärdienst müssen. Den Tanz zu traditioneller Musik zu beobachten war nett. Zwei oder drei begannen sich an den Händen haltend, dann gesellten sich immer mehr dazu, bis schliesslich ein grosser kreis mit wohl bis zu 100 Leuten entstand. Überhaupt war wohl das ganze Dorf anwesend, auf dem mit ein paar Glühbirnen spärlich beleuchteten Schulhausplatz. Zuerst war ich schockiert, als plötzlich jemand der Tanzenden mit einer Pistole sein ganzes Magazin in den Himmel schoss. Aber er blieb nicht der einzige, immer wieder schoss jemand in die Luft, wie im wilden Westen. Auch der Sohn meines Gastwirtes schoss eine Salve in die Luft, lädt das Magazin neu, und nun wird mir angeboten, ebenfalls zu schiessen. Ein Angebot, das ich als Zeichen der Freundschaft und Vertrauen durchaus zu würdigen wusste, mein Ziviherz lehnte es allerdings ab, von einer Waffe Gebrauch zu machen, in welcher Form auch immer. Bei so vielen Waffen auf dem Festgelände stellte ich dann auch beruhigt fest, dass es keinen Alkohol gab. Als der Muezzin für das letzte Abendgebet um kurz vor 10 Uhr zu singen begann, stellte die Musik ab, und erst nach einer Pause von 20 min, damit alle in Ruhe beten konnten, ging das Fest weiter. Dieser Respekt gegenüber der Religion stand für mich irgendwie im Widerspruch zu den vielen Waffen auf dem Gelände, andererseits auch irgendwie beruhigend.

Nachdem ich am nächsten Morgen mehrmals von Hunden ziemlich unfreundlich begleitet wurde, und sich dem Schweiss auch noch Angstschweiss dazumischte, war die Strasse glücklicherweise weitgehend flach, so dass ich dann doch bis Ereðli gekommen bin.
Nur 15 km vor Akçakoca, das eine supermoderne Moschee hat, waren nochmals diese dummen steilen Hügel mit schlechten Strassen. Dafür empfing mich dort ein Delphin, der vor Küste des Schwarzen Meers einen Sprung machte.

Heute bin ich in Safranbolu angekommen, nach einer wunderbaren Fahrt durch die Schlucht von Yenice, mit vielen energiesparenden Tunnels (ohne Beleuchtung, geht also auch...). Safranbolu hat eine von der UNESCO geschützte Altstadt, mit engen Gässchen und vielen schönen Riegelhäuser.

 Istanbul   

09-08-2006 (Benno) 

Vor Istanbul wollte ich noch irgendwo ans Meer. Es bot sich das schwarze Meer und das Marmarameer an. Da die Strände am Marmarameer sehr bevölkert sein sollen, wollte ich mein Glück am schwarzen Meer versuchen. Von Edirne ging es also erstmals weiter nach Vize. Mit anderen Worten die Hügel rauf und runter quer zur generellen Wasserfliessrichtung und ostwärts gegen die generelle Windrichtung.

Nach der Mittagspause in Kirklareli, als ich stadtauswärts fuhr, bremste mein Velo plötzlich, als ob sich jemand hinten dranhängen würde. Ich drehe mich um, um zu schauen, ob sich ein paar Kinder einen Scherz erlauben. Doch da war niemand. Hm, stimmt etwas mit den Radlagern nicht? Irgendwie rollte es nicht mehr so wie es sollte. Ok, die Hitze machte mich müde, vielleicht bin ich nicht mehr so fit, wie am Morgen, oder vielleicht ist mein Windwiderstand doch grösser als ich dachte. Doch irgendwie überzeugten mich diese Überlegungen nicht, genausowenig fand ich etwas am Fahrrad, das mich bremsen könnte, bis ich irgendwann feststellte, dass die unregelmässige Bremswirkung irgendwie vom Strassenbelag abhängig ist. Als wenig später offensichtlich wurde, dass der ziemlich regelmässig auf der Fahrbahn liegende Sand weder zufällig da ist, noch vom letzten Schneefall liegengeblieben sein kann, bin ich restlos davon überzeugt, dass der Asphalt in der Hitze geschmolzen ist, und mich zusätzlich ausbremst... Völlig erschöpft komme ich in Vize an, und am Mittag tags darauf in Kýyýköy am schwarzen Meer, ein nettes, kleines Fischerdörfchen. Ich suche für mein Zelt ein schattiges Plätzchen unter einem Baum auf dem riesigen Campingplatz, der gar keiner ist, wie sich später herausstellte, aber wie einer aussieht, weil viele Türken hier ebenfalls ihr Zelt aufschlagen. So zog auch hin und wieder ein Bauer mit seinen Kühen über den "Campingplatz".

Zwei Tage später stand ich bereits um 5 Uhr auf, um noch vor der beginnenden Hitze wieder oben auf den Hügeln in Saray zu sein, von wo ich, kurz vor Istanbul, doch noch an das Marmarameer komme.

Nun bin ich also in Istanbul und geniesse noch zwei Tage die Stadt und den Besuch von Rebekka. Und nachdem ich mich in einem Hamam habe zurechtkneten lassen, bin ich auch wieder fit für die 2. Etappe nach Teheran.

 Edirne   

05-08-2006 (Benno) 

Am nächsten Morgen ging es runter nach Harmanli und von dort die letzten 40km auf der Hauptverkehrsstrasse mit Rückenwind und 30 km/h der Türkei entgegen. Nachdem ich problemlos mindestens etwa vier bulgarische und türkische Schranken passiert hatte, befand ich mich endlich in der Türkei, das heisst, auf der Autobahn Richtung Edirne. Dank des relativ breiten Radstreifens am rechten Fahrbahnrand, der gelegentlich auch von Traktoren benutzt, aber wahrscheinlich als Pannenstreifen gebaut wurde, war die Strecke nach Edirne vergleichsweise angenehm. Ausserdem wurde mir immer wieder mal zugewunken von den Wirten am Strassenrand. Als ich dann auch mal auf die einladende Geste reagierte, aber klar machte, dass ich kein (türkisches) Geld habe, kriege ich sogar eine grosse, gekühlte Flasche Mineralwasser geschenkt.

Dass die Türkei ein islamisches Land ist, merkt man spätestens bei der Ankunft in Edirne, wo die vielen Minarette in den Himmel und ins Auge stechen. Dort ist es dann auch, wo ich zum ersten mal eine Moschee, die Selimiye Moschee, besuchte, deren 4 Minarette mit 70m die höchsten der Türkei sein sollen. Ein Schild am Eingang lädt die Besucher dazu ein, die Schuhe auszuziehen, was aufgrund der Hitze draussen und des angenehmen Teppichs drinnen wahrlich ein Wohltat war. Zugleich fühlt man sich angenehm mit dem Gebäude verbunden, dass trotz seiner kollossalen Bauweise erstaunlich leicht wirkt und ein angenehmes Gefühl von Raum und Ruhe vermittelt. Oben in der mit Ornamenten reich verzierten Kuppel flog eine Taube (nach einem Ausgang suchend?) perfekte Kreise.

Nicht weniger beeindruckt hat mich die eher schlichte "alte Moschee", mit den riesigen Schriftornamenten an den Wänden, wo ich am Abend gleich nochmals reingehe um die Ruhe zu geniessen und die Architektur zu bewundern.

Edirne war aber auch deshalb sehr angenehm, weil hier nach der eher letharigisch und melancholisch wirkenden Bevölkerung Bulgariens wieder viel Leben und geschäftiges Treiben in den Strassen herrscht. Eine wahre Freude, so dass ich hier gerne nochmals einen ganzen Tag verbrachte.

(Fortsetzung folgt)

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